Wir wünschen uns einen Prinzen

Die Frontrow war ausgesprochen prominent besetzt, als Bobby Kolade am Mittwochabend seine zweite Kollektion präsentierte. Nicht, wie sonst bei Jungdesignern üblich, sitzen Freunde und Nachwuchsbloggerinnen am Laufsteg, sondern einige von Deutschlands wichtigsten Modekritikern wie Melissa Drier von Womens Wear Daily und Alfons Kaiser von der FAZ. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass am selben Tag auch die Eröffnung des Bikini-Hauses stattfand. Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass Bobby Kolade der Prinz der Berliner Modeszene ist. Einer schöner junger Mann mit Charme und Charisma, Chuzpe und Talent. Talent als Gestalter und Talent zur Selbstvermarktung. Einer, der die nötige Strahlkraft besitzt, der Welt zu beweisen, dass Berliner Mode nicht zweite Wahl ist und Berlin immer noch the place to be. So jemand wird dringend gebraucht, gerade jetzt, wo die Aushängeschilder der Berliner Szene, Oliver Lühr und Thomas Bentz mit ihrem hoch gelobten Label Achtland nach London abgewandert sind.

Bereits als der in Uganda aufgewachsene Designer vor einem Jahr noch an seinem Abschluss an Kunsthochschule Weißensee bastelte, engagierte er eine PR-Agentur und präsentierte die erste Kollektion in einer eigenen Show abseits der Hochschule. Mit großem Erfolg. Besonders die spektakulären Mäntel und Jacken aus Lubugo, einem Material aus Baumrinde, das in traditionellen Stammestrachten in Uganda verwendet wird, sorgten für Aufsehen und blieben in Erinnerung. Aber nicht nur mit spektakuläre Showteilen beeindruckte Kolade, sondern auch mit originellen Hosenanzügen, die perfekt geschnittenen, aber durch raffinierte Details ganz und gar unspießig daher kamen. Im vergangenen Sommer wurde der Designer, der zwei Jahre in Paris gelebt und dort unter anderem bei Margiela und Balenciaga gearbeitet hat, mit dem mit 25.000 Euro dotierten „Start-your-Fashion Business“-Preis des Berliner Senats ausgezeichnet. Zum ersten Mal in der Geschichte des Preises fiel die Jury-Entscheidung einstimmig aus.

Seither wartete die Modewelt gespannt darauf, was der junge Mann, der ausgesprochen eloquent und klug über seine Arbeit referieren kann, als nächstes zeigen würde. Zunächst einmal zeigte er – nichts. Die Fashion Week im Januar musste ohne Bobby Kolade auskommen. Nur einem einzigen Stück trat er zwischenzeitlich in Erscheinung: einem Pullover, bedruckt mit einem Foto der Ruinen des Rana-Plaza, jener Textilfabrik in Dhaka, bei deren Einsturz im April 2013 über 1000 Menschen ums Leben kamen. Verstörender Kommentar zur Modeindustrie, deren Teil zu werden er sich anschickt.

Jetzt also erklärte er sie für fertig die neue Kollektion mit dem Namen 39. Und zeigte sie, genüsslich frei vom vorgeschriebenem Rhythmus der Modeindustrie, in einem ehemaligen Krematorium im Wedding. Der weiß getünchte Raum verströmt sakrales Flair, das verstärkt wird von getragenem A capella Gesang von Léopold. Dabei kommt die Kollektion eher leicht und bunt daher. Bustiers zu schlichten Hosen mit farbig abgesetztem Bund oder komplett gestreift, flache Schuhe und Parkas mit buntem Kordelzug. Ein knallgelber weiter Mantel, ein knallblauer Riesenschal, winzige Lackpailletten auf Chiffon, eine rote Kastenjacke gummiartig beschichtet. Wieder beweist Kollade großes Geschick in der Mischung von auffälligen Showteilen wie einem Mantel mit roter Fransenkante, gefertigt aus traditionellen äthiopischen „Buluko“-Baumwolltüchern und Handtaschen, in denen das Rindenmaterial aus der ersten Kollektion wieder auftaucht, und Tragbarem wie den perfekt geschnittenen Hosen und Jacketts. Das Jackett wird aus 39 Teilen gefertigt – daher der Name der Kollektion. Im Rücken komplett geschlitzt ist es klassisch und dennoch lässig raffiniert. Auch wenn nicht jeder Look gelungen ist – die asymetrischen Miniröcke, insbesondere in Kombination mit überdekoriertem Bustier, sehen doch eher merkwürdig aus – ist Kolade auf gutem Weg. Sein „Damenanzug aus Berlin“, der demnächst in Produktion gehen soll, hat das Zeug zum Klassiker.